Editorial GUTE KRIMINALROMANE …
… zu schreiben ist eine hohe Kunst: ein außergewöhnliches Setting zu finden, faszinierende Figuren zu ersinnen und einen raffinierten Plot zu entwickeln. Wahre Geschichten allerdings sind nicht minder spannend, auch oder gerade weil hier Erfindungsreichtum nicht erlaubt ist, sondern es darum geht, die Realität zu erforschen, zu durchdringen und vor allem nicht von ihr abzuweichen. Kurzum: Wir halten beides für beeindruckende Disziplinen. Aber sie sind auch ganz unterschiedliche Handwerksformen. Als der Krimiautor Matt Basanisi uns bei einer Veranstaltung unserer „Crime Day“-Reihe erzählte, dass es da einen spannenden wahren Fall gäbe, über den er gern schreiben würde, mussten wir dennoch nicht lange nachdenken. Denn Basanisi ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Kriminalist. Er hat lange Jahre für die Schweizer Bundeskriminalpolizei im Bereich der Organisierten Kriminalität ermittelt. Die Geschichte, die er uns anbot: die letzten Tage des Cosa-Nostra-Paten Matteo Messina Denaro. Dafür würde er liebend gern mit seinen ehemaligen italienischen Kollegen sprechen, die dieses Phantom jahrzehntelang gejagt hatten. Wir schlugen ein. Die Rom-Korrespondentin des stern, Luisa Brandl, half Basanisi, die prominentesten Ermittler des Landes für Gespräche zu gewinnen. In Palermo traf Brandl den obersten Staatsanwalt der Stadt. Und in Rom konnten Basanisi und Brandl mit den wichtigsten Fahndern der Anti-Mafia-Spezialeinheit ROS sprechen. In der Fiktion werden Mafiosi oft als stolze Familienoberhäupter und Ehrenmänner dargestellt. In der Realität, das zeigt Basanisis Text, sind sie eher Getriebene, die bereit sind, für die Macht nicht nur ihr eigenes Leben in Elend zu verbringen, sondern auch Unbeteiligten, sogar Kindern, das Leben zu nehmen. Die wahre Geschichte, die Basanisi in dieser Ausgabe erzählt, ist fesselnd – aber garantiert keine romantische Heldengeschichte.